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Jakobsweg 2011
Liebe Freunde,
Vom 20.04.2011 bis 31.05.2011
ging ich den Jakobsweg von Pamplona bis nach Santiago de Compostela. Für mich war dieser Weg sehr lehrreich. Dieser Weg war für mich Hölle und Himmel zugleich. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich völlig
unvorbereitet diese Reise per Fuß antrat. Zum ersten war mein Gepäck viel zu schwer, mein Rucksack wog 18,5 Kg. Ich hatte mir zuvor in einem Discounter ein Trackingzelt und entsprechende Leichtlaufschuhe
gekauft. Diese Leichtlaufschuhe hielten nur 4 Tage aus. Sie hängen jetzt in einem Sportgeschäft als negatives Ausstellungstück. Auch bin ich in den letzten 5 Jahren nicht mehr als 5 Km am Stück gelaufen. Also wie
gesagt, völlig unvorbereitet, sonst ist es ja kein Abenteuer. Aus Gesprächen mit anderen Pilgern erfuhr ich, dass Sie sich jahrelang sich auf diesen Weg vorbereiten. Einige lernten in Kursen Spanisch, andere
trainierten monatelang mit beschwertem Gepäckstück ihren Körper.
Kurzum, nach wenigen Tagen warf ich Zelt, Isomatte, Schlafsack und Jacke weg. Es belastete mich zu stark, ich hätte nicht weiterlaufen können. Man sagt
allgemein, man sollte nur etwa 10% seines Körpergewichtes tragen. Also schon nach zwei bis drei Tagen bekamen meine Fußsohlen und Zehen Blasen. Schlimm sind die Blasen, die später unter den Blasen entstanden sind.
Die sind sehr schmerzhaft. Es ist weniger anstrengend eine Steigung zu laufen, als ein Abstieg, wo Körpergewicht plus Gepäck sich auf die Knöchel und Knie verlagern. Insgesamt sind in den 41 Tagen von mir 700 bis knapp 800 Km
bewältigt worden. Tagsüber mitunter sengende Hitze die man ohne Hut kaum bewältigen kann. Deshalb beginnen die meisten Pilger ihren täglichen geplanten Weg schon 5.00 bis 6.00 Uhr morgens. Grund dafür ist, die Natur erwacht, es
ist noch kühl, daher ist es leichter zu laufen und man hat die bessere Chancen immer einen Platz im Refugium zu erhalten. Die Refugie ist eine Unterkunft für Pilger zum Teil auf Spendenbasis, ansonsten 5 – 10,-
€ Übernachtungsgebühr.) Aber nur immer für einen Tag. Man holt sich auch immer einen Stempel auf seinen Pilgerausweis, um nachweisen zu können, das man wirklich gelaufen ist. Wichtig ist, dass die letzten 100 Km
gelaufen werden müssen, ansonsten gibt es keine Pilgerurkunde. Man sagt das, wenn man diesen Weg gegangen ist, seien einem alle Sünden erlassen und vergeben. Viele Könige und Fürsten sind diesen Weg gegangen. Viele Knechte
hatten den Auftrag auch für Ihre Herrscher Abbitte in Santiago zu leisten. Sogar Gefängnisstrafen werden mitunter erlassen, falls sich der Insasse für den Pilgerweg entscheidet. (Üblich in Spanien).
Bemerkenswert ist auch, dass man an einem Kreuz, welches auf einen großen Steinhaufen errichtet worden ist (Cruz de Ferro), alles was einem belastet,
man auf einen mitgebrachten Stein schreibt und symbolisch dem Kreuz übergibt oder wegwirft. Viele Pilger werfen alles weg, was sie los werden wollen. Bilder von Ex-Partnern, Uhren, persönliche Dinge usw. Ich persönlich litt
unter Bluthochdruck. Alles hat sich eingepegelt. Vielleicht auch durch die Abnahme von ca. 10 Kg Körpergewicht begründet. Mein Hausarzt sagte zu mir ich solle weniger essen und dafür mehr laufen. Ich habe das
wörtlich genommen. Der ganze Weg sei oder ist auch eine Art von einem Transformationsprozess. Man ist nicht mehr derselbe, der man vorher war. Man ist reifer geworden. Man freut sich auf die kleinen Dinge des
Lebens, ist dankbar für einen kleinen Schluck Wasser, ohne den mitunter gar nichts mehr geht. Man ist dankbar duschen zu können, nach endlich 2-3 Tagen. Man könnte diesen Weg als kleine Schule des Lebens
betrachten.
Man durchlebt hier verschiedene Phasen:
1. die Chaosphase, dann 2. Schmerzphase (Blasen, Knie und Knöchelprobleme, gelaufener Wolf (Hirschhornsalbe sehr zu empfehlen usw.) und 3. die
Glücksphase, wenn man den Weg erreicht hat.
Zum Schluss dieser Reise nach Santiago pilgern dennoch einzelne Pilger bis nach Finisterra. (das Ende der Welt), so heißt auch dieser Ort. Es ist der westlichste
Teil von Spanien und man dachte früher, weil Amerika noch nicht entdeckt worden war, die Erde sei eine Scheibe, dass hier die Welt hier zu ende ist. An diesem Ort werden dann traditionsgemäß Schuhe, Wanderstöcke, Kleidung
usw. verbrannt.
Sollte man diese 87 Km dennoch zusätzlich gelaufen sein, erhält man eine weitere Urkunde. Statistisch gesehen erreichen nur ca. 15 % den Weg nach Santiago de
Compostela. Aber einige Pilger laufen jedes Jahr auch nur eine gewisse Etappe. Viele Pilger nach dem Grund und Motivation Ihres Weges befragt: Hier gibt es vielfache Gründe. Angefangen von Verlust des Jobs, Liebeskummer,
Krankheit, und religiöse Gründe, Grenzen kennenlernen und sich von alten belasteten Sünden befreien sind die meisten Motivierungen. Von Managern, Unternehmern, Ärzten bis zum Harz 4-Empfänger sind alle Schichten von Menschen
dabei. Die älteste Pilgerin die ich kennenlernte war eine 90 jährige Oma begleitet von ihren Enkeln die zumindest 100 Km gelaufen ist, denn sie bekam ihre Pilgerurkunde und wurde gesegnet. Bewundernswert war auch ein 68-
jähriger Pilger, dem man ein Jahr zuvor einen Lungenflügel operativ entfernt hatte. (Er hatte mit Asbest beruflich gearbeitet), seine Nase war aufgeschlagen, beide Knie stark angeschwollen. Aber er lief wie ein Hase.
Als ich durch ein Geisterdorf (Bewohner sind weggegangen, weil es keine Arbeit gab) pilgerte las ich an einer Haustür einen befestigten Zettel auf dem geschrieben
stand:
Es ist nicht notwendig dem Leben mehr Tage zu geben, aber es ist viel wichtiger dem Tag mehr Leben zu
verleihen.
Darum träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.
Solltet Ihr liebe Freunde Fragen zu meiner Reise haben, so
könnte ich Euch vielleicht noch einige weitere Tipps geben aus der Erfahrung heraus, dass man sich auf solch eine Pilgerreise besser vorbereiten
sollte.
Karl-Heinz Heidrich
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